PHILIPS Capella Reverbeo B7X43A/22:
Restauration eines antiken Röhrenradios von 1964:
Mein
drittes und damit vorerst letztes Projekt zum Thema Röhrenradios ist
ein technisches Sahnestück aus dem Jahre 1964. Es handelt sich um ein
seltenes und begehrtes Vollstereogerät von PHILIPS, welches zusätzlich
über eine Nachhall-Einrichtung verfügt. Als weitere Besonderheit dürfte
die Skalenbeleuchtung erwähnt werden, welche diesmal nicht aus
herkömmlichen Skalenlämpchen besteht, sondern über eine
elektrolumineszierende Leuchtfolie verfügt.
PHILIPS gab sich bei diesem Röhrenradio alle Mühe,
sämtliche technischen Innovationen aus dieser Zeit in das Radio zu
integrieren. Weiterhin wurden 800Ω Lautsprecher mit den passenden Ausgangsübertragern verbaut.
Dieses Radio besitzt schon einen transitorisierten
Stereo-Decoder, mit dem ich noch meine helle Freude haben werde. Aber
dazu später mehr.
Nun ein paar technische Daten:
- Der Superhet verfügt über Lang-, Mittel-, Kurzwelle und UKW. Zusätzlich über Phono und Tape-Eingänge.
- Es sind 10 Röhren verbaut: ECC85, ECH81, EF89, EBF89, EM80, EAA91, ECC83, EZ81 und 2x EL84
- Die Ausgangsleistung beträgt 7Watt
- Abmessungen: 710 x 265 x 290 mm
Ich erwarb das Radio über eine bekannte
Auktionsplattform. Leider sah dort das Gerät besser aus als in der
Wirklichkeit.
Mich traf fast der Schlag, als ich es mir näher anschaute:
DEFEKTE, BESCHÄDIGUNGEN, ÜBELRIECHEND und über alle Maßen verkeimt!
Oha - da kam jede Menge Arbeit auf mich zu... Es sollte tatsächlich ganze 8 Wochen dauern...
Doch Fotos sagen mehr als tausend Worte:
Na herzlichen Glückwunsch - das Gehäuse ist
vollkommen desolat. Da wird sich die Schleifmaschine aber freuen.
Hoffentlich gehen die Wasserflecken, Kratzer und Riefen nicht komplett
durch das Furnier.
Entmutigende Ansicht. Wer lässt solch ein gutes Stück so vergammeln?
Die Skalenscheibe, alle Drehknöpfe und die Bedientasten sind Gott-sei-Dank unbeschädigt.
Nachdem ich die Rückwand abgenommen hatte, sah ich
weiteres Unheil: Das Blech, welches die Reverbeo-Einheit, also die
Nachhallfedern beinhaltet, ist herabgefallen und die dünnen
Anschlussdrähte sind komplett abgerissen.
Dahinter sehe ich nur übelriechenden Keim. Der
Geruch errinnert mich an eine Räucherei oder Fleischerei. Wer weiß, wo
das Gerät vorher stand...
Igitt!!!
Jetzt wurde mir schlecht! Das wird wohl einige Zeit
dauern den ganzen Dreck wegzubekommen. Die Enstufenpenthode EL84 ist
weiß angelaufen. Hat also Luft gezogen und ist somit ein Fall für die
Tonne. Bei diesem Anblick ersparte ich mir einen Vorab-Funktionstest.
Nichtsdestotrotz schaute ich mich im Gehäuse weiter
um. Wäre doch gelacht - wenn sich das verkeimte Ding nicht später doch
noch zum Leben erwecken ließe.
Übelriechender Keim und Dreck, wohin man auch schaut...
Die Farbringe auf den Widerständen sind kaum noch zu erkennen.
Wenn ich die Typenschilder richtig gelesen habe, dann verließ das Radio die PHILIPS-Werke am 27. August 1964.
Was die Drahtbrücke am Anschluß der Hallspirale
darstellen sollte, war mir rätselhaft. Vermutlich sind die
Anschlußdrähte schon vor einiger Zeit abgerissen.
Der Stereodecoder mit der Zusatzplatine, die eine Schmitt-Trigger-Schaltung für das Stereolämpchen enthält.
Meine Damen und Herren, bitte stellen Sie die Knabbertüte beiseite. Hier vergeht einem wirklich der Appetit.
Nun war ich am überlegen, mit welchen Mitteln ich
dem Dreck beikommen könnte. Erst einmal tat es ein grober Pinsel und der
Staubsauger auf höchster Stufe.
Zumindest sind nun die groben Dreckflusen hinter der
Blende weg. Als Besonderheit kann man das Chassis nur nach vorne
herausziehen. Bei den meisten Röhrenradios geschieht das nach hinten.
Nun noch die Schrauben an der Unterseite gelöst und
die Lautsprecherlitzen abgelötet. Schon konnte das Chassis entnommen
werden. Das Chassis mußte dabei vorsichtig an den Lautsprechern vorbei
gezirkelt werden. Viel Platz war nicht.
Der erste Blick von unten ließ mich aufatmen. So schlimm sah es unter dem Chassis gar nicht aus.
Fast staubfrei - ein Wunder. Ich schaute mir die
Elkos genauer an. Einige waren schon ausgelaufen und der Rest dürfte
nicht mehr die aufgedruckte Kapazität haben. Bestimmt waren sie alle
schon trocken. Dieses bestätigte sich später auch beim Durchmessen jedes
einzelnen Elkos. Sie mußten also komplett ausgetauscht werden.
Zur Chassis-Entnahme waren die Lautsprecheranschlüsse abzulöten.
Voila - das Chassis ist endlich draußen. Ab zum Groß-Reine-machen.
Noch ein paar Impressionen vor der großen Säuberungsaktion.
Dies sind die beiden Ausgangsübertrager auf 800Ω.
Verwunderlich ist, das diese eine sehr kleine Bauform haben.
Das Kraftwerk - Der Transformator mit eingebauter
Wicklungssicherung. Eine herkömmiche Feinsicherung sucht man in diesem
Gerät vergebens.
Alle vier Skalenseile waren noch gut in Schuß und
mußten nur geringfügig nachgespannt werden. PHILIPS verwendete zwei
textile Skalenseile und zwei Seile aus Stahldraht. Zu welchem Zweck ist
mir nicht bekannt.
Hier ein Foto vom UKW-Tuner mit Variometer. Auf diese
Weise läßt sich viel Platz sparen. Rechts im Bild die
Zweiweg-Gleichrichterröhre EZ81.
Dieses ist die Innenansicht der Hallspiralen. Das
Patent zur Nachhall-Funktion stammt aus den USA. An einem Ende sind
winzige Sendeübertrager und am anderen Ende Empfangsübertrager
angebracht. Durch die entstehenden Vibrationen wird ein Hall erzeugt.
Nun ging es vorsichtig mit der Reinigung los. Ich
verwendete wieder meine beliebten in Platinenreiniger getränkten
Wattestäbchen. Schön zu sehen, auf den Filterbaugruppen kehrte der Glanz
zurück.
Für die Reinigung benötigte ich sehr viel Geduld. Über
eine Woche hatte ich jeden Tag zu tun, um dem Keim Herr zu werden.
Aber es hatte sich gelohnt. Nach etwas über einer Woche sah das Chassis wieder top aus:
Kaum zu glauben. Hier sieht man den Unterschied. Wie Tag und Nacht.
Jetzt konnte ich endlich alle beweglichen Teile
entfetten und neu fetten bzw. ölen bis sie alle wieder schön
leichtgängig waren. Nach der langwierigen Reinigung war das eine
willkommende Abwechslung.
Der Drehko und das UKW-Variometer erstrahlten in altem
Glanz. Nun mußten nur noch diese Wellen gereinigt und neu abgeschmiert
werden.
Jetzt ging es ans Eingemachte. Die Arbeit unter dem
Chassis. Nun wurde jeder Widerstand und jeder Elko
abgelötet und seine Werte genau überprüft.
Ich hatte die richtige Vermutung. Hier half nur eine umfangreiche Widerstands- und Kondensatorkur!
Es stellte sich heraus, daß fast alle Widerstände mit dem speckigen
Aussehen hochohmig geworden waren. Je höher die anliegende Spannung war,
desto hochohmiger waren sie. Ganz krass hatte es den 470kΩ Widerstand
an der magischen Fächerröhre EM80 getroffen. Hier maß ich 1,4MΩ!!! Also
sogar verdreifacht!
Diese sogenannten Vitrohm-Widerstände
aus der Ära ab 1956 bis 1965 sind bekannt für ihre mit zunehmenden
Alter entstehende Hochohmigkeit. Ihr Widerstandswert nimmt stärker zu,
je höher die Gleichspannung an ihren Anschlüssen war.
Den Elkos erging es auch nicht besser: ausgelaufen und
trocken, niedrige Kapazität und / oder Feinschluß. Also mußte ich alle
defekten und überalterten Bauteile austauschen.
Unten rechts ist schön einer der ausgelaufenen Elkos zu sehen.
Oben links ist der 3fach 50µF / 350Volt Becherelko von
unten zu sehen. Die Stelle sieht etwas dunkel verfärbt aus. Seine
Kapazität hat ebenfalls gelitten. Einen erneuten Dauerbetrieb würde der
Becherelko nicht mehr überstehen. Im schlimmsten Fall würde er sich mit
einem lauten Knall verabschieden und eventuell noch andere Baugruppen
mit sich reißen. Wie so etwas aussehen kann, sieht man hier. Also habe ich ihn durch 3 neue, einzelne 47µF / 450Volt EPCOS-Elkos ersetzt.
Hier die 3 nagelneuen 47µF / 450Volt EPCOS-Elkos.
Diese zählen nicht gerade zu den Schnäppchen - sind aber ihr Geld wert.
Nachdem ich nun alle defekten Widerstände und
Kondensatoren getauscht hatte, versuchte ich eine erste Funktionsprobe.
Also Stecker in den Trenntrafo und die Spannung langsam in Richtung
220Volt hochgedreht.
Wider erwarten passierte nichts - die Röhren glimmten,
bis auf eine defekte
ECC83. Also tauschte ich sie mit einer anderen ECC83.
Nun wurden alle beheizt, doch es tat sich immer noch nichts. Kein
Brummen oder sonst etwas.
Also habe ich mein Meßgerät gezückt und die
Anodenspannungen gemessen. Ich traute meinen Augen nicht - es lag keine
Anodenspannung an. Es hätten mindestens 290Volt sein müssen. Dann prüfte
ich die neuen Siebelkos. Hier lag nur an einem Elko eine Spannung von
280Volt an. An den anderen nichts!
Der Fehler war schnell gefunden. Eine Litze, welche
vom ersten Siebelko wegführte, war gebrochen. Also abgesetzt und wieder
neu angelötet. Siehe da, an den Röhren
lag jetzt die Spannung an. Das Radio begann zu
rauschen. Aber keinerlei Empfang auf UKW. Auf LW, MW, KW war starker
Empfang möglich. Aber UKW streikte. Dazu kam, das der linke Kanal so gut
wie tot war. Dieser Fehler war schnell gefunden. Ich hatte selbst einen
Fehler gemacht und bei einer EL84 den Kathodenelko fälschlicherweise an
Steuergitter g1 gelötet. Das kommt davon, wenn die Lötpunkte sehr eng
beieinander liegen und man nicht genau hinschaut. Also habe ich den Elko
wieder an die Kathode, parallel zum Kathodenwiderstand gelötet und nun
funktionierte auch der linke Kanal wieder.
Der UKW-Empfang war weiterhin tot. Eigenartig nur, das
der magische Fächer -
EM80 - Vollausschlag anzeigte, nachdem ich diese Röhre
gegen eine russische 6E1P ausgetauscht hatte. Also war ja genügend
Signal von der ZF-Stufe vorhanden. Warum hörte ich dann nichts?
Als einzige Möglichkeit kam der gekapselte
Stereodecoder ins Visier meiner Fehlersuche. Kurzerhand überbrückte ich
den Eingang mit dem Ausgang und nun hörte ich das UKW-Signal in voller
Pracht, wenn auch nur in Mono.
Also habe ich die Stereodecoder-Platine aus dem Metallgehäuse entfernt.
Und was sah ich? Es grinsten mich wieder 5 ausgelaufene Elkos an.
Diese mußte ich nun auch noch wechseln. Dabei prüfte
ich gleich die drei Germanium-Transistoren vom Typ AF126 durch. Siehe
da: der letzte war defekt. Und nun? Woher bekomme ich heutzutage noch
baugleichen Ersatz?
Da erinnerte ich mich an die vielen Bauteile, die mir
mein lieber Kollege Jürgen aus seinen früheren Tagen mitgebracht hatte.
Ich kramte alles durch - und fand einen AF202-Germanium-Transistor.
Schnell im www nachgeschaut. Ja - er ist baugleich zum AF126. Also
eingelötet und probiert. Jetzt funktionierte der Stereodecoder wieder.
Das sah ich an dem Stereo-Lämpchen, welches nun bei Stereosignal leuchtete.
Vielen Dank Jürgen für die Bauteile!!!
Aber es war immer noch nichts zu hören. Was war los mit dem NF-Signal???
Ich entschloss mich am nächsten Tag weiterzumachen und erstmal eine Nacht drüber zu schlafen.
Am folgenden Tag recherchierte ich noch ein wenig im Internet und stieß auf ein niederländisches Forum, indem mein Problem so ähnlich geschildert war. Es lag angeblich am Ausgangskondensator C213. Der hatte dort vollen Schluß.
Kann das möglich sein? So einfach? Jetzt prüfte ich
meine Ausgangskondensatoren 2 x 1nF (die in der roten Hülle) - und siehe
da: Beide (C213 und C214) hatten Schluss und schlossen das Stereosignal
in beiden Kanälen gegen Masse kurz. Tatsächlich! Also tauschte ich
diese beiden Kondensatoren gegen Baugleiche aus. Und schon konnte ich
mein UKW-Stereo-Signal hören. Wunderbar!
Dann hatte ich die Kanaltrennschärfe neu eingestellt
und der Stereodecoder wanderte wieder in sein abgeschirmtes Gehäuse.
Die markierten Kondensatoren hatten kompletten Schluss und zogen somit
das NF-Signal auf Masse. Daher war auf UKW nichts zu hören. Also habe
ich baugleiche 1nF - Kondensatoren eingelötet.
Endlich wieder ein funktionsbereiter Stereodecoder!
Jetzt ging es mit dem Bauteile-Austausch weiter. Selbst an der TA-Buchse fand ich hochohmige Widerstände!
FERTIG. Es ist vollbracht. Eine abschliessende
Sichtprüfung nach dem Bauteiletausch. Hatte ich noch etwas vergessen?
Die Oberseite des Chassis war wieder in Ordnung.
Die Zusatzplatine des Stereodecoders, die für das Stereolämpchen die Schmitt-Trigger-Schaltung enthält, bekam auch neue Elkos.
Der
Tastensatz des Klangregisters und der Mono / Stereo / Reverbeo -
Umschaltung ist nun auch wieder gereinigt. Die Kontakte glänzen wieder.
Fehlt nur noch die fluoreszierende Leuchtfolie. Die
Hintergrundbeleuchtung bestand aus einer durchgehenden,
selbstleuchtenden Elektrolumineszens-Glasscheibe, die aber mit der Zeit
durch eingedrungende Luftfeuchtigkeit durchgebrannt war. Da sie direkt
an der Trafo-Anodenwicklung sitzt, wurde sie mit ca. 260Volt befeuert.
Zum Glück hat sie nicht den ganzen Trafo mit ins Verderben gerissen.
Also lötete ich die Anschlußdrähte vom Trafo ab und entfernte sie auch
an der Glasscheibe.
Nun besorgte ich mir neue EL-Leuchtfolien, die der früheren
Leucht-Glasscheibe sehr ähnlich sind. Diese EL-Leuchtfolien kann man mit
einer Schere in Form schneiden. Man muß nur darauf achten, die
Schnittkanten gegen Luftfeuchtigkeit zu versiegeln. Zum Leuchten wird
die Folie mit einem 110Volt - Inverter gebracht. Dieser Inverter erzeugt
aus einer 12Volt Gleichspannungsquelle 110Volt sinusförmige
Wechselspannung mit einer Frequenz von ca. 500Hz. Für einen
ordnungsgemäßen Betrieb der Leuchtfolie benötigte ich also solch einen
Inverter und ein 12Volt - Netzteil. Also lötete ich mir alles auf einer
kleinen Euro-Platine zurecht.
Hier die durchgebrannte alte Leucht-Glasscheibe.
Hier habe ich die Leuchtfolie zurechtgeschnitten und auf die alte
Glasscheibe, die nur noch als Träger dient, aufgebracht. Die
Schnittkanten wurden versiegelt.
Das Netzteil für die EL-Leuchtfolie ist fertig. Es besteht aus einem
Printtrafo 12Volt, 0,5A, einem Silizium-Brückengleichrichter und einem
4700µF Siebelko. Das schwarze, vergossene Bauteil ist der Inverter
für 110Volt / 500Hz.
Die gesamte Schaltung benötigt unbedingt ein abgeschirmtes Gehäuse,
welches ich mir aus kupferkaschiertem Platinenmaterial zurechtschnitt
und verlötete.
Die Ecken wurden mit versilbertem Kupferdraht verlötet.
Das Netzteil nahm im abgeschirmten Gehäuse Platz.
Fertig war der Kupfersarg fürs Netzteil.
Ein kurzer Funktionstest bestätigte mir die einwandfreie Funktion meines EL-Leuchtfolien-Netzteils.
Nun konnte ein erneuter Funktionstest des PHILIPS-Radios erfolgen.
Ich war jedoch ein wenig enttäuscht vom Klang des Radios. Irgendwie
fehlten die satten Bässe. Der Klang war etwas flach. Woran könnte es
liegen?
Ich vermutete mal, das es an den alten Röhren lag. Diese hatten
bestimmt schon etliche Betriebsstunden auf dem Buckel und waren nicht
mehr allzu gut. Zum Testen nahm ich einen MP3-Player, den ich an die
TA-Buchse klemmte.
Die Vorverstärkerröhre war eine ECC83. Ich hatte eine nagelneue,
russische
6N2P bestellt. Da man russischen Röhren hohe Qualität und einen
tollen, wärmeren und vollen Klang nachsagt, entschloss ich mich, den
Röhrensockel für die russische 6N2P umzulöten. Hierzu mußte der
Heizungsanschluß umgelötet werden.
Darüberhinaus lötete ich gleich die Sockel für die Endstufenröhren
auf russische Röhren um. Ich hatte noch brandneue 6P14P, der
Vergleichstyp zur deutschen EL84, auf Lager. Im Internet erfuhr ich von
der 6P15P-Röhre, welche auch in TV-Geräten eingesetzt wurde. Diese Röhre
sollte dem Klang nochmals einen Schub nach vorne geben. Also habe ich
welche bestellt, aber bis dato noch nicht bekommen.
Die Sockel waren nun umgelötet und für den Betrieb mit russischen
Röhren bereit. Was soll ich sagen - ich habe große Augen bekommen.
Tatsächlich hatten die 6P14P-Röhren einen besseren Klang als die
deutschen EL84! Es hatte sich also gelohnt!
Hier der
Sockel der ECC83 von unten - fertig umgelötet auf die russische 6N2P.
Die Brücke bei PIN4 und PIN5 ist getrennt. PIN5 auf 6,3V, PIN4 auf
Masse, PIN9 auf Masse.
So sah der Sockel für die EL84 vor dem Umlöten aus.
Nun ist eine Brücke zwischen PIN1 und PIN3 geschaffen. Bereit für
die russische 6P15P. Leider kann nun keine EL84 mehr eingesetzt werden,
da es hier zu einem Kurzschluß zwischen PIN1/3 und PIN2 kommen kann, da
in meinen EL84-Röhren intern eine Brücke zwischen PIN1 und PIN2
vorhanden ist. Eine russische 6P14P hat diese Brücke nicht und kann
daher auch sicher betrieben werden.
Hier zum Vergleich: Eine ECC83, die NF-Vorverstärkerröhre
(NF-Zweifach-Triode) und die russische 6N2P mit einer anderen
Heizungsverkabelung. Sie hat an PIN9 ein Abschirmblech, welches die
beiden Trioden trennt. PIN9 sollte daher auf Masse gelegt werden.
Hier zum Vergleich eine herkömmliche EL84 - Endstufenpenthode mit dem russischen, aber höherwertigen Pendant
6P14P. Das Kürzel EW steht für die extra lange Haltbarkeit der
Röhre. Sie wurde beim russischen Militär eingesetzt und wenn man genau
hinschaut, ist diese auch größer und dicker als die EL84. Darüberhinaus
hat die russische 6P14P gegenüber der EL84 einen runderen und volleren
Klang!
Hier sind alle ausgetauschten Bauteile von der Chassisunterseite zu
sehen. Es waren doch eine Menge Teile, die ausgetauscht werden mußten.
Hätte ich selbst nicht gedacht. Bei dieser Gelegenheit tauschte ich in
der Endstufe die Koppelkondensatoren 10nF gegen neue 100nF aus. Diese
10nF Kondensatoren hatte ich im Verdacht, da sie bei tiefen Frequenzen
wie ein Hochpaß wirkten und ihr kapazitiver Blindwiderstand sehr
hochohmig war. Den Kathodenelko von 150µF ersetzte ich durch einen neuen
Elko mit 1000µF und den Kathodenwiderstand von 82Ω halbierte ich auf
47Ω / 2Watt. Dieses bewirkte eine leichte Arbeitspunktverschiebung der
Endstufenröhren und somit eine Erweiterung des Frequenzbereiches bis zu
den tieferen Frequenzen. Jetzt wurden die Bässe kräftiger wiedergegeben.
Ein weiterer Grund für den kleinen Kathodenwiderstand von 47Ω geht aus
den Datenblättern der 6P14P und der 6P15P
hervor. Da der Rk gemeinsam an beiden Kathoden der Endstufenröhren
angeschlossen ist, muß sich sein Widerstandswert logischerweise
halbieren. Demnach befindet er sich laut Datenblättern im goldenen
Mittelfeld.
Hier sind die veränderten Bauteile zu sehen.
Da mir aber der Klang immer noch nicht so recht gefiel, schaute ich
in den beiden Gegenkopplungs-Netzwerken nach. Im Vergleich zu meinem
früheren restaurierten PHILIPS B5D21A, welches richtig vollen und satten
Klang besitzt, war mir der Klang bei diesem Radio immer noch zu flach
und oberflächlich.
Es fehlte meiner Meinung nach an etwas mehr Leistung und "Bumms", obwohl
der jetzige Sound weich, angenehm und überhaupt nicht aufdringlich war.
Trotzdem fehlte irgendetwas im Klang:
Die Gegenkopplung der Endstufen - abgenommen an den Sekundärseiten der
Ausgangsübertrager über das Netzwerk und wieder eingespeist in die
Lautstärkeregler am Eingang der Koppelkondensatoren der
Vorverstärkerröhre 6N2P (ehemals ECC83) - hatte ich im Verdacht! Was
anderes kam nicht mehr in Frage. Hier kann man die Funktionsweise nachlesen.
Durch die von PHILIPS wohl etwas zu gut gemeinte Gegenkopplung
(Phasendrehung um 180° und Wiedereinspeisung), gab zwar einen schönen
weichen Klang, aber etwas knackiger hätte es schon sein können, zumal
die Endstufenröhren mehr als genug Leistung dafür besitzen.
Also überlegte ich, wie das im Schaltplan dargestellte RC-Netzwerk
arbeitete. Der Schuldige war nach etwas Probieren und Suchen gefunden.
R61a (27kΩ) im linken Kanal und R62a (27kΩ) im rechten Kanal sollte für
das Maß der Gegenkopplung verantwortlich sein.
So war es dann auch. Also habe ich die beiden Widerstände in den
jeweiligen Kanälen gegen einen Wert von 1MΩ ausgetauscht. Damit hatte
ich nun fast einen reinen Hochpaß mit C75 und C74 geschaffen. Der
kapzitive Blindwiderstand der Kondensatoren ist bei tiefen Frequenzen
ziemlich hoch. Die tiefen Frequenzen kamen also nicht mehr durch.
(Dies wurde jedoch durch die originalen 27kΩ Widerstände
verhindert.)
Die neuen Parallelwiderstände von 1MΩ blockten jetzt ab. Nun wurden
die tiefen Frequenzen also auch nicht mehr gegengekoppelt. Somit konnte
die Endstufe die mittleren und tiefen Frequenzen in voller Pracht
verstärken.
Man könnte sich nun ganz genau die Grenzfrequenz mittels
Kapazitätsänderung von C75 und C74 einstellen und ein Poti parallel dazu
schalten, aber bisher habe ich darauf verzichtet.
C71 und C70 verhindern das gefürchtete Überschwingen. C83a und C82a ebenfalls.
Mit einem Oszilloskop prüfte ich nun das NF-Signal auf Übersteuerung und Verzerrungen. Dies war jedoch nicht der Fall.
Nun war es vollbracht: Der Klang hatte mächtig an
Fülle gewonnen. Der Bass war etwas zu stark, aber konnte nun mit dem
Tiefenregler bequem und angenehm geregelt werden.
Damit die Möglichkeit der Wiederkehr in die ab Werk
gedachte, etwas starke Gegenkopplung möglich ist, lötete ich den 27kΩ
Widerstand in Reihe zu einem 2poligen Umschalter wieder ein. Der 1MΩ
Widerstand sitzt dann parallel zu R62a und Schalter, bzw. zu R61a im
linken Kanal.
Das wars. Nun bin ich mit dem Klangbild des Radios rundum zufrieden!
Noch einige ausgetauschte Bauteile.
Gut zu sehen, alle ausgelöteten defekten Bauteile. Ich komme bei meiner Zählung auf insgesamt 51 Bauteile. Eine ganze Menge.
Komplettansicht von oben.
Alles wurde gereinigt. Das Chassis ist nun wieder tiptop und technisch einwandfrei.
Fehlt nur noch eines: Das desolate Gehäuse. Also ab
damit in den Keller und das Gehäuse gründlich abgeschliffen.
Um die Riefen und Wasserflecken komplett zu entfernen,
mußte ich fast das ganze Furnier abschleifen. Nur eine dünne Schicht
ist noch übrig. Dies sollte aber dennoch reichen.
Die defekte Membran des Lautsprechers habe ich
ebenfalls wieder repariert. Hier habe ich mit Tapetenleim vermischte
Zellulose verwendet und vorsichtig eine dünne Schicht auf die gerissene
Stelle verstrichen und abtrocknen lassen. Nun ist vom Riss nichts mehr
zu sehen und der Lautsprecher wieder tadellos.
Nach dem Beizen in der Farbe Kirschbaum und dem
Lackieren des Gehäuses mußte nur noch das vergilbte Lautsprechergitter
gereinigt und aufgefrischt werden. Dazu verwendete ich speziell für
Plastik entwickelten matten Sprühlack in der Farbe cremeweiß.
Das Ergebnis läßt sich sehen:
Nun konnte das Chassis wieder im Gehäuse Platz nehmen.
Das PHILIPS Capella Reverbeo ist nun fertig und bereit für den
Dauertest.
Ein wahres Sahnestück!
Kein Vergleich mehr zum ersten Foto in dem desolaten Zustand.
Die Skalenscheibe ist frisch poliert und glänzt wieder.
Alle Drehknöpfe wurden gründlich gereinigt. Kein schwarzer Keim in den Rillen.
Und nun ist das Radio voll in Aktion. Eine tolle Optik
mit einem überragenden Klang! Es ist wirklich wieder ein schönes Stück
geworden!
Der magische Fächer leuchtet in voller Stärke.
Das Klangregister. Der Reverbeo / Nachhall-Effekt ist wohl dosiert einfach unschlagbar!
Die russische Endstufenröhre 6P14P in Aktion. Schön zu
erkennen die bläulichen Lichtemissionen beim Auftreffen der Elektronen
auf die Anode. Dabei wird die Röhre kochend heiß. Zu einem späteren
Zeitpunkt werde ich die beiden 6P14P-Röhren mit den höherwertigen
russischen 6P15P-Endpenthoden tauschen. Ob der schon glasklare und
traumhafte Klang dadurch nochmals verbessert wird, werde ich an dieser
Stelle demnächst berichten...
Die EL-Leuchtfolie steht dem Original in nichts nach!
Oben rechts befindet sich das Stereolämpchen. Dieses
wird vom Stereodecoder gesteuert und leuchtet automatisch beim Empfang
einer Stereosendung auf.
Das beleuchtete PHILIPS - Logo darf natürlich auch nicht fehlen.
Nun sind 2 Monate vergangen und das Radio glänzt und
klingt wieder wie am ersten Tag. Ich finde, die Mühe hat sich gelohnt,
obwohl ich ein paarmal das Handtuch werfen wollte, da die technischen
Probleme sich anfangs als schwer lösbar darstellten. Aber irgendwann
findet sich eine Lösung für jedes Problem.
Kleiner Nachtrag:
Um den Klang noch weiter zu steigern, habe ich mir nun aus alten UdSSR-Militär-Beständen unbenutzte
K40Y-9, 100nF, 1000V Ölpapierkondensatoren als neue Koppelkondensatoren der NF- Vor-, und -Endstufe besorgt.
Nach einer
Einspielzeit von ca. 50 Stunden kann ich doch eine klare Steigerung der Klangeigenschaften beobachten.
Es ist viel "mehr"
zu hören. Die Detailfülle hat enorm zugenommen. Jede kleinste Nuance
wird nun klar wiedergegeben.
Es kommt mir vor, als wenn sich der Stereo-Effekt deutlich gebessert hätte. Es lassen sich alle Instrumente
einwandfrei orten.
Ich denke, es hängt mit der Phasenverschiebung der beiden Kanäle zusammen.
Die zur Restauration eingesetzten MKS - Folien-Koppelkondensatoren
beeinflussten die Phasenlage
eher negativ.
Das Oszilloskop bestätigte mir
dies einwandfrei.
Viele tun dies aber eher als Voodoo ab, doch meiner
Meinung nach, gibt es einen deutlichen klanglichen Unterschied.
Jedenfalls bin ich begeistert von diesen russischen Ölpapierkondensatoren.
Falls ihr Anregungen oder Vorschläge habt, so scheut euch nicht und benutzt den Blog auf der Übersichtsseite.
Danke.
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